7. August 2015 – Tag 4

Von Rebeuvelier nach Moutier (Kanton Bern)

Gestern nach Sonnenuntergang wurde es endlich etwas kühler und so war meine Nacht im Wohnwagen wider Erwarten ausgesprochen angenehm. Ich musste einmal nachts raus zum Pinkeln und wurde belohnt mit einem fantastischen Sternenhimmel, wie man ihn in der Stadt nicht sehen kann.

Heute Morgen bin ich in der Dämmerung aufgestanden. Noch vor Sonnenaufgang bin ich zur Übersteigung des 1’300 m hohen Mount Raimeux, einem heiligen Berg der Kelten, gestartet. Für mein Frühstück war wenig Zeit und es gab nur ein paar Brocken trockenes Brot und ein paar kleine Stücke Käse.

Unterwegs von Rebeuvelier nach Moutier
Der Wald oberhalb vom Campingplatz in Rebeuvelier

Der Aufstieg war lang und steil und obwohl ich gut trainiert bin, musste ich immer wieder stehenbleiben und verschnaufen. Das waren dann auch Momente, in denen ich mich fragte ‘Warum machst du das eigentlich? Du könntest doch jetzt zu Hause am Frühstückstisch in aller Ruhe die Zeitung lesen.’

‘Der Jakobsweg hat mich gerufen und ich bin diesem Ruf gefolgt. Ich würde gern zu Fuss in Santiago de Compostela ankommen und bin bereit, mich dafür anzustrengen.’ Mit dieser Antwort war ich zufrieden.

Ich habe mich dann ziemlich angestrengt und das Hochplateau auf dem Mount Raimeux gegen 9 Uhr erreicht.

Auf dem Berg gibt es eine kleine Siedlung, die aus einer Handvoll Bauernhäuser und ein paar Wohnhäusern besteht. Das Haus mit einem schönen Spielgarten für Kinder gehört dem ‘Club Montagne Jura’.

Ich habe dort haltgemacht und stand bald in der Wohnstube, in der sich mehrere kleine Kinder mit ihren Eltern aufhielten. Ich habe gefragt, ob ich Frühstück bekommen könne und sass bald mit am Tisch, eine Schale Milchkaffe, ein paar Scheiben Zopf (ein helles, süsses Brot) und Marmelade vor mir. Für eine gute dreiviertel Stunde war ich Teil dieser Gemeinschaft. Die Kids waren neugierig und fragten mich dies und das. Die Erwachsenen wollten etwas über mich wissen und ich etwas über sie. Die Atmosphäre war unwahrscheinlich herzlich und so wurde ich auch verabschiedet.

Als ich meinen Rucksack wieder auf dem Rücken hatte und Richtung Moutier lief, wusste ich, warum ich mich diesen Berg hochgequält habe: Auf mich wartete dort oben eine Gemeinschaft wunderbarer Menschen! Was für ein grossartiges Geschenk!

Auf dem Mount Raimeux
Auf dem Mount Raimeux

Der Abstieg nach Moutier war lang und steil und es wurde zunehmend heisser. In Ort waren die Temperaturen fast unerträglich und mir war schnell klar, dass es heute nicht weitergeht. Eine Übernachtungsadresse für Pilger in Moutier hatte ich nicht und so habe ich ein preisgünstiges Zimmer gesucht. Im Touristenbüro half mir eine nette Frau etwas Geeignetes zu finden, sehr freundlich und sehr professionell. Mit einer kurzen Adressenliste machte ich mich wieder auf den Weg und fand rasch ein Zimmer im ‘Hotel du Gare’.

Dort habe ich geduscht, Emails geschrieben und mich ausgeruht. Später machte ich mich auf den Weg in die Stadt, um etwas zu essen und um mich etwas umzuschauen. Leider fühlte es sich draussen noch heisser an als vorhin. Das war kein Wetter für eine Stadtbesichtigung!

In einem kleinen, schattigen Park habe ich dann Räucherlachs, Weißbrot, Milch und Kirschen aus dem örtlichen Supermarkt genossen. Moutier hat mir als Ort bis auf wenige Strassen nicht besonders gefallen; es gibt viele Bausünden in der Innenstadt und alles wirkte  sehr zusammengestückelt. Ich bin dann zurück zum Hotel gelaufen, habe unterwegs kalte Getränke eingekauft und in meinem Zimmer bei angenehmeren Temperaturen gelesen und Tagebuch geschrieben. Und plötzlich war es 22 Uhr und damit höchste Zeit schlafen zu gehen.

In der Altstadt von Moutier
Malerische Strasse in der Altstadt von Moutier