12. November 2015 – Tag 101

Ruhetag in Santiago de Compostela

Jakobus-Figur in der Kathedrale von Santiago de Compostela
Lebensgroße Jakobus-Figur im Zentrum des Hauptaltars der Kathedrale. Diese wird von den Pilgern von hinten umarmt für einen kurzen Moment der Andacht oder des Gebets.

Seit jeher gab es für Jakobspilger Rituale für die Ankunft in Santiago de Compostela; nur ein Teil davon werden heute noch ausgeführt.

Früher haben sich die Pilger, bevor sie in Santiago de Compostela einzogen, im Flüsschen Rio Lavacolla einige Kilometer vor der Stadt gründlich gereinigt. Vom Monte del Gozo, dem ‚Berg der Freude’, von dem die Pilger erstmals die Kathedrale erblicken, gingen Fußpilger dann barfuß weiter. Beide Rituale sind heute bedeutungslos.

Früher war es üblich, beim Betreten der Kathedrale durch das Hauptportal (Porta de la Gloria) die Hand in eine Vertiefung in der Marmorsäule zu Füßen des Apostels zu legen. Die Mulde ist inzwischen 2 cm tief und wurde durch Millionen Pilgerhände geschaffen. Vor 6 Jahren wurde dieses schöne Ritual aus ‚Gründen des Denkmalschutzes’ untersagt.

Kuppel der Kathedrale von Santiago de Compostela
Blick in die Kuppel der Kathedrale mit der Mechanik für das Schwenken des Weihrauch-Kessels

Die Krönung war das ‚Ritual des Aufstiegs’. Die Pilger stiegen hinter dem Altar zur Apostelstatue hinauf und umarmen sie von hinten. Danach gingen sie durch die Krypta, die sich unter dem Hauptaltar befindet. Dort werden in einem silbernen Schrein die Gebeine des Apostels aufbewahrt. Beide Rituale werden heute noch von vielen Pilgern praktiziert.

Früher waren auch Nachtwachen in der Kathedrale ein Teil des Pflichtprogramms der Pilger; heute nicht mehr.

Jeden Tag um 12 Uhr wird auch heute noch in der Kathedrale die Pilgermesse gefeiert. Mit etwas Glück wird dabei auch die ‘Zeremonie des Botafumeiros’ abgehalten. Dabei wird ein riesiges Weihrauchfass im Kirchenraum bis dicht unter die Gewölbe der Querschiffe geschwenkt. Der dabei verströmende Weihrauchgeruch füllt bald die ganze Kathedrale (und übertönt den strengen Geruch der Pilger :-)). Ob das Weihrauchfass geschwenkt wird, ist heute eine Frage des Geldes: Es müssen genug Spenden dafür zusammengekommen sein.

Gebäude um die Kathedrale von Santiago de Compostela
Auch die Gebäude um die Kathedrale erzählen von Pracht und Macht

In früherer Zeit gab es den Jakobspfennig, eine Steuer, welche in Nordspanien erhoben wurde. Daraus durften sich zerlumpte und mit abgerissenen Kleidern ankommende Pilger neu einkleiden. Neu ausgestattet stiegen sie auf das flache Dach über dem Chorbereich der Kathedrale und verbrannten beim Cruz do Farapos, dem Lumpenkreuz, die alten Kleider. Symbolisch reinigte man sich so am Ziel des Pilgerweges. Diese mittelalterliche Sitte wird heute fortgeführt, und zwar an einer Feuerstätte am Kap Finisterre am Atlantik.

Schon die frühen Pilger hatten den Wunsch nach der offiziellen Anerkennung ihrer Pilgerreise. Bereits ab dem 13. Jahrhundert wurden Dokumente ausgestellt, die einen überprüfbaren Nachweis für die abgeschlossene Pilgerschaft darstellten. Hier liegen die Wurzeln der heute sehr begehrten ‚Compostela’-Urkunde. Diese Urkunde erhält man im Pilgerbüro (Oficina del Peregrino), welches sich gleich neben der Kathedrale befindet. Die im Pilgerpass gesammelten Stempel der Übernachtungsherbergen dienen dabei als Nachweis der zu Fuß zurückgelegten Strecke.