Ruhetag in Santiago de Compostela

Meine gestrige Ankunft in Santiago und mein heutiger Ruhetag dort waren eine emotionale Achterbahn.
Ich war glücklich, weil mein Traum, auf dem Jakobsweg von Basel nach Santiago de Compostela zu laufen, in Erfüllung gegangen ist. Ich war traurig, weil damit auch etwas Wunderbares zu Ende gegangen ist.
Ich war glücklich, weil ich so viele interessante und nette Pilgerbrüder und –schwestern kennengelernt habe. Ich war traurig, weil das Erreichen des Ziels auch das Ende unserer Bekanntschaft ist.
Ich war glücklich, weil die Nonne im Pilgergottesdienst noch genauso schön gesungen hat wie vor 3 Jahren. Ich war traurig, weil die Kathedrale zurzeit restauriert wird und deshalb ihre äussere Schönheit hinter Baugerüsten und blauen Plastiknetzen verborgen ist.
Ich war traurig, weil die Herberge, in der ich gern in Santiago übernachtet hätte, voll war. Ich habe mich gefreut, dass ich nach etwas Suchen ein gemütliches Zimmer in einer Pension in der Altstadt gefunden habe.
Ich war traurig, weil ich mich beim Spaziergang durch die Altstadt zu oft von lieb gewonnenen Menschen verabschiedet habe. Ich habe mich gefreut, dass es meine Lieblingscafébar vom letzten Besuch noch gibt. Ich habe dort ein Schinkensandwich mit einem Glas Rotwein sehr genossen. Auch das Stück Kuchen mit einem Milchkaffee war ausgesprochen lecker.
Ich war glücklich, weil heute die Sonne schien und es draußen warm war.
Ich war traurig, weil ich mich nach unserem Pilgerabschiedsabendessen schon wieder von liebgewonnenen Menschen verabschieden musste.
Ich bin glücklich, weil ich morgen noch einmal mit dem Rucksack auf dem Rücken unterwegs sein kann. Ich laufe noch ein Stückchen weiter, erst zum Kap Finisterre am Atlantik, dem ‚Ende der Welt’ im Mittelalter, und dann nach der Muxia, einem Marienwallfahrtsort etwas nördlich davon. Das sind nochmals vier 30-km-Tagesetappen. Ich hoffe, meine Schuhe halten das noch durch; die Sohlen bekommen erste, sichtbare Löcher.
Nächsten Freitag fliege ich von Santiago zurück nach Basel.
