Von Moutier zum Kloster Bellelay (Kanton Bern)
Heute war es wieder sehr sonnig, aber nicht mehr so heiss. Das Laufen fiel mir leichter als gestern und ich bin zügig vorangekommen. Ein touristischer Höhepunkt waren zweifellos die ‘Gorges de Perrefitte’, eine vom Bach ‘La Chalière’ ins Gestein gefressene, wilde Schlucht. An den steilsten Stellen sind Treppen angebracht, um so Wanderern den Durchstieg durch die Schluchten zu ermöglichen.
Irgendwo dort in der wilden Natur hatte ich plötzlich das Gefühl, dass ich auf ‘meinem’ Jakobsweg angekommen bin. Ich fühlte in mir, dass es tatsächlich die Möglichkeit gibt, bis nach Santiago de Compostela zu laufen. Das hat mich glücklich gemacht.

Nach den Schluchten ging es über Felder und durch Wälder, bergauf und bergab. Kurz vor meinem heutigen Ziel zogen Wolken auf und ich musste eine Weile unter meinem Schirm laufen. Als ich gegen 14 Uhr am Kloster Bellelay ankam, war das Wetter wieder gut.
Nein, ein Kloster ist das schon lange nicht mehr. Die Gebäude wurden im Jahr 1797 von französischen Truppen besetzt und das Kloster säkularisiert. Seitdem wurden sie für unterschiedliche Zwecke genutzt, heute als Psychiatrische Klinik).
Im ‘Hotel de l’Ours’ (17.Jh., ist Teil der alten Klosteranlage) soll es laut Reiseführer ein Massenlager für Pilger geben. Als ich danach fragte, teilte man mir mit, dass das nur noch für angemeldete Gruppen geöffnet wird. Und Hotelzimmer gäbe es nicht mehr. Ich war enttäuscht und nach langem Hin und Her konnte ich dann doch im Massenlager übernachten. Der Eingang liegt hinter dem Haus, weit weg vom Hoteleingang an einem Ort, an den sich selten jemand verirrt. Und ich war der einzige Gast.
Nachdem der Empfangschef, der mich in mein Quartier gebracht hatte, gegangen war, schloss ich die Eingangstür von innen. Ich merkte schnell, dass ich die von innen nicht öffnen kann – oh je! Gut, dass ich keine Panik bekam, auch nachdem ich feststellte, dass die mobile Datenanbindung meines iPads im Haus nicht funktionierte.
Das Matratzenlager ist im ersten Stock; der Raum davor hat ein Fenster über der Eingangstür. Ich habe mich dort ins offene Fenster gesetzt und gewartet. Nach vielleicht 20 Minuten kam eine Reiterin vorbei, die mir geholfen hat. Ich habe ihr den Schlüssel runtergeworfen und sie hat von außen die Tür geöffnet. Sie hat gelacht. Mir schien, sie kannte das Problem.
Ich bin dann zurück ins Restaurant gelaufen, habe einen Becher Eistee getrunken und einen großen, gemischten Salat gegessen. Danach gab es noch einen Milchkaffee. Das Bestellen in Französisch war sehr schwierig und hat mich viel Überwindung gekostet. Ich hoffe, dass das noch besser wird.
Zur Abendessenzeit war ich unsicher, ob ich lieber meinen nicht gerade üppigen Proviant verzehre oder doch besser im Restaurant essen gehen soll. Ich fühle mich hier fehl am Platz und auch die Preise waren mir viel zu hoch. Ich bin dann noch einmal um die Klosteranlage gelaufen, aber mir fehlte der Mut, mich in das schon sehr volle Restaurant zu setzen. Also habe ich meinen Proviant gegessen und bin schlafen gegangen.

Ich fand die Chefin des ‘Hotel de l’Ours’ ein wenig merkwürdig. Als ich erfuhr, dass sie in einem Zimmer neben dem Massenlager übernachtete, störte mich diese Vorstellung anfänglich. Immerhin hatte sie mich gefragt, ob ich nicht Angst hätte, überfallen zu werden. Ich habe das Thema aber bald abgehakt und gut geschlafen, obwohl ich die Tür zu meinem Schlafgemach nicht abschliessen konnte.
Das Frühstück war reichhaltig, mit warmen, knusprigen Brot. Endlich konnte ich auch wieder einmal schwarzen Tee trinken. Ich habe dann noch die Chefin gefragt, ob ich mir noch für unterwegs einen Apfel und einen Joghurt einstecken kann und sie hat eingewilligt. Sie scheint doch netter zu sein, als mich mein erster Eindruck befürchten liess.