
Von Kloster Mariastein nach Delémont (Kanton Solothurn)
Der heutige Wandertag war typisch für den Schweizer Jura: ein ständiges auf und ab, mal im Wald und dann wieder zwischen Feldern, auf denen mehrheitlich Mais wuchs. Um diese Jahreszeit waren die Pflanzen noch sattgrün und bildeten einen wunderbaren Kontrast zum tiefblauen Himmel. Gelegentlich spürte ich schon den Herbst; heute Morgen war das Kloster Mariastein in dichten Nebel gehüllt und die Welt um mich herum verzaubert.
Im Kloster habe ich eine sehr nette, 85 Jahre alte Dame kennengelernt. Während des gestrigen Abendessens und noch eine gute Weile danach haben wir zusammen geplaudert. Frau B. ist sehr gläubig und dankt dem Herrgott für ein glückliches Leben und seine wunderbare Führung. Sie ist mit einem Italiener verheiratet; zusammen haben sie vier Töchter und einen Sohn. Eine Tochter war schon 6 Mal auf dem Jakobsweg und deshalb hat sie hat mich wohl gleich in ihr Herz geschlossen.
Frau B. hatte nie viel Geld und dankt Gott dafür, dass sie immer mit wenig sehr zufrieden war. Seit ihr Mann mit 98 Jahren verstarb, kommt sie ins Kloster und lässt sich beköstigen, geht in die Messen, liest viel und spricht mit den Patern. Sie strahlte eine tiefe Zufriedenheit aus, wie ich sie selten bei einem Menschen erlebt habe.
Heute Morgen beim Frühstück habe ich noch einmal mit Frau B. gesprochen. Sie hat sich sichtlich gefreut, mich noch einmal zu sehen. Zum Abschied hat sie ihre Hand geküsst und mir diese Hand auf die Wange gedrückt. Diese rührende Geste hat mich den ganzen Tag begleitet. Was für ein schönes Geschenk!
Heute musste ich drei Jura-Bergketten übersteigen. Es war heiss und ich habe viel geschwitzt. Schon am frühen Nachmittag taten mir die Schultern weh. Ist mein Rucksack mit gut 10 kg Gewicht zu schwer?

Nach der zweiten Jurakette hatte ich das Gefühl, zu tief ins nächste Tal abzusteigen. In der Nähe eines kleinen Hauses im Wald sehe ich einen Mann bei der Arbeit. Er bestätigt mir, dass ich auf dem richtigen Weg bin und erklärt mir, wie es weitergeht. Danach stehen wir noch eine Weile zusammen und unterhalten uns über ‘Gott und die Welt’. Ich erzähle ihm von meiner Übernachtung in Kloster Mariastein. Er nickt wissend und erklärt, dass sein Haus im Wald sein Kloster wäre.
Die Jugendherberge von Delémont liegt ein gutes Stück ausserhalb des Stadtzentrums. Mein Zimmer ist winzig und es gibt keinen Platz zum Waschen und Trocknen meiner verschwitzten Kleidung. Das Abendessen war prima: Ich bekam 2 Teller Suppe und 2 Nachtische. Pilgern macht hungrig!